Die ersten Wochen als Vater

Vor etwas mehr als sieben Wochen kam meine Tochter Nila zur Welt, unser erstes Kind. Es war ein schlicht unbeschreiblicher Moment. Was ich vorher in Filmen für kitschig und banal hielt wurde auf einmal real, war fühlbar und unglaublich schön. Nach der ersten Eingewöhnung hier ein paar meiner Gedanken über verfrühte Sorgen, anfängliche Überforderung und zuerst etwas zögerliche Vatergefühle.

Auf Los geht’s los

Für das Elternsein gibt es kein Training – es startet sofort und ohne Pause. Das geistige Vorbereiten in den letzten neun Monaten war im Nachhinein betrachtet wenig hilfreich. Und trotz solider Babysitter-Erfahrung bei meiner kleinen Schwester, meiner Nichte und meinen drei Neffen (alle zwischen fünf und einem Jahr alt) fühlte ich mich nicht wirklich bereit jetzt Vater zu sein.

Es war vom Gefühl her eher so, als hätte man uns einfach ein Kind in die Hand gedrückt und gesagt: „So, jetzt macht mal“ – ahnungslos, erschöpft und mit jeder Kleinigkeit überfordert. Eine gewisse Nervosität ist immer da und auch der Wunsch es gleich perfekt zu machen. Doch das geht nicht. Oder anders gesagt – etwas falsch zu machen und daraus zu lernen bedeutet eigentlich es richtig zu machen. Wir haben bald aufgehört Dinge zu googlen oder in den geschenkten Baby-Ratgeberbüchern zu lesen. Vieles darin hat uns nur verunsichert. Was wir seither machen ist ausprobieren und einfach das Beste tun, was uns in dem Moment dazu eingefällt. Die Erfahrung macht bald vieles leichter, doch im Endeffekt lernen wir jeden Tag aufs Neue auf unserem Instinkt zu vertrauen.

Etwas falsch zu machen und daraus zu lernen bedeutet eigentlich es richtig zu machen.

Ach ja, dass Babys in den ersten Wochen nur essen und schlafen ist ein übles Gerücht (zumindest bei uns). Nila wollte schon von Anfang an Körperkontakt. Sie wollte herumgetragen werden und spüren, dass jemand da ist.

Verfrühte Sorgen

All die Gedanken und den Stress, den ich mir in den Monaten vor der Geburt über das Setzen von Grenzen, elterliche Konsequenz oder Vorbildwirkung machte waren komplett unnötig verfrüht. Noch lange geht es nicht um Erziehung, sondern schlicht um das Decken von Grundbedürfnissen. Wickeln, umziehen, Nila hochnehmen und beruhigen kann ich mittlerweile ziemlich gut. Auch die Nerven behalten, wenn es einmal etwas länger dauert bis sie aufhört zu schreien. Mir wurde aber auch bald deutlich wo meine Grenzen als Vater liegen.

In der Früh gehe ich oft mit Nila nach draußen, sobald sie wach ist. So kann ihre Mama noch etwas schlafen nach der, durch das Stillen im drei Stunden Takt, unterbrochenen Nacht. Wenn sie aber wieder Hunger bekommt hilft nichts. Ich kann versuchen sie mit dem Schnuller abzulenken, singen, durch die Wohnung marschieren oder sie ins Tragetuch nehmen – alles egal. Wenn es wirklich darauf ankommt muss die Mama her. Aber auch das wird sich irgendwann ändern und ab und zu füttere ich sie auch mal mit dem Flascherl.

Codeknacker oder Schreien ist nicht gleich schreien

Zu Beginn war jedes Quietschen ein Grund zur Sorge. Ständiges Aufstehen und Nachsehen, ob eh alles in Ordnung sei war an der Tagesordnung. Wenn sie dann auf einmal zu schreien begann machte sich vor allem Ratlosigkeit breit. Was ist es nur, dass sie zum Weinen bringt? Ist es Hunger, eine nasse Windel, Bauchweh, Müdigkeit, Langeweile oder einfach nur das Bedürfnis nach Nähe? Und auch wenn wir den Grund manchmal nicht ausmachen können, hilft es zumindest sich einen einzureden.

Es ist herzzerreißend wenn sie weint, sie tut mir so leid. Doch dann ist es auch wieder nur schreien, wie soll sie sich denn sonst ausdrücken? Und wenn alle möglichen Ursachen ausgeschlossen sind und sie immer noch nicht aufhört, dann müssen wir einfach mit ihr da durch. Dieser Satz eines Kinderarztes aus dem Geburtsvorbereitungskurs beruhigt mich seither: „Ein lautes Kind stirbt nicht.“ Und Nila kann wirklich laut sein, wenn sie will. Unsere Aufgabe ist es dann sie wieder glücklich zu machen, so einfach ist es. Noch geht es nicht um Manipulation ihrerseits. Sie lebt komplett im Moment, in ihrer Welt. Wenn sie Hunger hat, dann hat sie jetzt Hunger. Es ist ihr egal ob daheim, beim Spazierengehen oder in der Bahn. Sie brüllt so laut sie kann, als würde sie nie wieder zu essen bekommen. Auch dann müssen wir da durch, gemeinsam. Und egal wie anstrengend es in der Situation manchmal auch sein mag, sobald es vorbei ist lässt mich irgendetwas komplett vergessen wie es war, als sie geschrien hat. Wahrscheinlich irgend so ein Psychotrick der Natur.

Kein anderer Satz kann unerfahrene Eltern so sehr beruhigen wie dieser: „Lautes Kind stirbt nicht.“

Ich habe nicht das Gefühl, dass sie besonders oft schreit oder, dass es sehr belastend sei. Es ist einfach so wie es ist. Mit der Zeit und der Erfahrung steigt auch die Selbstsicherheit. Mittlerweile erkennen wir schon die feinen Unterschiede zwischen Hunger-, Bauchweh- oder Langeweileschreien. So wie sie diese Welt ganz langsam zu erkennen lernt, lernen wir sie zu verstehen.

Vatergefühle?

Was die Vatergefühle betrifft hat es bei mir etwas gedauert. Das darf man jetzt nicht falsch verstehen, ich habe sie vom ersten Moment an in mein Herz geschlossen. Aber ich wusste nicht wirklich, wie es sich anfühlen soll ein Vater zu sein. Irgendwie dachte ich, ich verändere mich so richtig, von heute auf morgen – mit dem Moment der Geburt. Vielleicht ist das auch im Innersten passiert, aber so direkt bemerkte ich das nicht. Stattdessen fühlte ich mich eher wie ich selbst, eigentlich wie vorher, nur mit einem Kind. Vielleicht ist das bei Müttern anders, die haben wahrscheinlich auch durch das Stillen eine andere Hormondröhnung.

Mittlerweile hat sich das geändert und ich fühle mich Nila immer näher. Ich brauchte einfach ein bisschen Zeit, um sie kennen zu lernen. Dass sie jetzt schon auf mein Gerede mit Lächeln reagiert verstärkt meine Bindung zu ihr nur. Ich genieße es mit ihr alleine Zeit zu verbringen, wenn ihre Mama Sport macht oder in die Orchesterproben geht. Ich liebe es mit ihr im Tagetuch spazieren zu gehen – voll Stolz und ganz nahe halte ich sie an meinem Herzen – meine Tochter.

Nila und ich

Doch so wirklich als Vater fühle ich mich immer noch nicht ganz. Das wird wohl auch noch etwas dauern. Es ist vielleicht ähnlich wie nach dem Heiraten, auch da hat es Zeit gebaucht das zu realisieren. So wie Nila langsam ins Leben wächst, wachse ich in meiner neuen Rolle als Vater und bin mir sicher, dass mit den steigenden Herausforderungen auch meine Fähigkeiten wachsen werden diese zu bewältigen.

Ein Freund hat mir mal gesagt: „Wenn du ein Kind bekommst ist dein Leben nicht mehr wie vorher. Aber nach zwei Tagen kannst du dir auch nicht mehr vorstellen, wie es vorher war.“ Wie Recht er damit hatte.


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  1. Ich habe deine Zeilen nur überflogen, aber der Satz „Was ich vorher in Filmen für kitschig und banal hielt wurde…

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