Meine Abendkollegklasse an der Graphischen

Ein Jahr unterrichten an der Graphischen

Vor etwas mehr als einem Monat ging mein Unterrichtsjahr an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt (oder einfach nur der Graphischen) in Wien zu Ende. Für neun Wochenstunden, kompakt an einem Dienstag gebündelt, unterrichtete ich drei Klassen mit Menschen im Alter von siebzehn bis vierzig Jahren. Es war ein schöne und lehrreiche Zeit. Hier möchte ich rekapitulieren, was ich davon mitgenommen habe.

Lernen durch Lehren

Als ich im Mai letzten Jahres aus dem Nichts einen Anruf erhielt, ob ich nicht an der Graphischen Webdesign unterrichten möchte, wusste ich noch nicht, was auf mich zukommen würde. Neugierig sagte ich zu und nach intensiven Vorbereitungen erhielt ich im September 2013 aus der Abteilung Grafikdesign die vierten Klassen der Oberstrufe, den zweiten Jahrgang im Kolleg und den dritten Jahrgang im Abendkolleg.

Ich wurde damit beauftragt die technischen Grundlagen für das einfache Gestalten einer Website zu vermitteln. Also im Prinzip HTML und CSS. Doch Technik war schon lange nicht mein Kerngebiet. Seit mehr als sieben Jahren hatte ich mich nicht mehr damit beschäftigt und meinen Fokus auf Konzeption und Entwurf gelegt. Und dennoch traf sich diese Aufgabenstellung gut, denn im Frühjahr 2013 hatte ich mir auch vorgenommen mich wieder mehr damit zu beschäftigen, um noch besser gestalten zu können.

„Man lernt erst wirklich wenn man lehrt.“

So lernte ich HTML und CSS im letzten Sommer wieder von vorne. Und was ich nicht alles dabei lernen durfte (davon abgesehen, wie viel sich in den letzten Jahren getan hatte). Besonders schön war, dass es richtig Sinn hatte mich gründlich damit auseinander zu setzen. Ich musste es schließlich wirklich verstehen, wenn ich es anderen erklären sollte. Der Spruch „Man lernt erst wirklich wenn man jemandem etwas lehrt“ traf voll und ganz auf die Situation zu.

Auch wenn es um Technik ging, es wurde von einem Gestalter vermittelt und es war nicht mein Ziel aus meinen Studierenden Techniker zu machen. Sie sollten einfach soviel von der Technik verstehen, wie es notwendig ist, um einen guten Entwurf zu machen. Dadurch arbeitet man auch automatisch besser mit Programmierern und Programmiererinnen zusammen, weil man die selbe Sprache spricht und Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen entwickelt.

Es war interessant zu sehen, wie sich die selben Anfängerfehler und Missverständnisse wiederholten. So konnte ich meine Vorträge und Beispiele nach und nach optimieren. Ich erkannt auch, dass das persönliche Feedback auf die individuelle Situation immer noch am weitesten brachte, gerade am Anfang.

Anleiten zur Selbständigkeit

Zuerst dachte ich, es würde am schwierigsten werden die Dinge gut zu erklären. Doch bald erkannte ich, dass die eigentliche Herausforderung an einer ganz anderen Stelle lag: in den Aufgabenstellungen und Übungen. Wie kann ich Übungen und Aufgaben so gestalten, dass man sich selbst mit einem Thema auseinandersetzen muss und dabei seine persönlichen Erfolge hat? Dass man auf dem Weg an Grenzen stößt und diese zu erweitern lernt?

Wer richtig googlen kann kommt richtig weit

Am Anfang waren meine Übungen noch sehr einfach, im Prinzip nur ein Wiederholen des zuvor von mir Gezeigtem und Erklärtem. Nach einem Ratschlag von einem Kollegen baute ich bald immer mehr Stellen ein, die eigenes Recherchieren im Web erforderten. Schlussendlich ist das die wichtigste aller Eigenschaften – sich selbst Wissen und Informationen aus dem Web aneignen. Ich habe zur Vorbereitung dieses Unterrichtsjahres nichts anderes gemacht. Nach zahlreichen Tutorials, Artikeln und ein paar eBooks wurde mein Verständnis immer tiefer. Und natürlich habe ich auch meine Developer mit der einen oder anderen Frage konsultiert.

Ich wurde nicht müde auf Google zu verweisen und davon zu schwärmen, wie großartig es ist, dass all dieses Wissen einfach so im Internet herumliegt und man es sich nur zu nehmen braucht. Wenn ich das kann, könnt ihr das auch und in welcher Branche ist das denn sonst noch so? Ich machte kein Geheimnis daraus, wenn ich selbst etwas nicht wusste oder einen Befehl vergas. Es ist keine Schande Dinge zu vergessen, es ist nur eine Schande nicht nach Antworten zu suchen.

Was ich mitnehmen konnte

Es war ein gutes und lehrreiches Jahr, das unglaublich schnell verging. Etwa die Hälfte des Reizes an dieser Aufgabe war die Herausforderung mir selbst das Wissen aneignen zu müssen. Nach einem Jahr habe ich das Gefühl, mich jetzt so gut auszukennen wie noch nie. Und es fällt mir leicht Prototypen für meine eignen Entwürfe zu bauen und dadurch noch effizienter mit meinen Developern zusammen zu arbeiten.

Es hat aber vor allem Spaß gemacht die Begeisterung für die Flexiblität des Webs weiterzugeben und zu sehen, was sie mit einigen anstellt. Die Studierenden, Schülerinnen und Schüler waren großteils sehr engagiert, neugierig und fordernd. Die Kolleginnen und Kollegen an der Graphischen waren freundlich und unterstützend. Ich durfte viele interessante Menschen kennenlernen.

So tut es mir nun auch leid nach einem Jahr wieder aufzuhören, jetzt wo die Grundlagenarbeit geschaffen ist. Doch in den nächsten Tagen erwarten wir unser erstes Kind, und damit ändern sich auch meine Prioritäten. Mir ist die Flexibilität der freien Zeiteinteilung wichtiger, als die Sicherheit einer Anstellung verbunden mit verpflichtenden Arbeitszeiten (auch ein Grund, weshalb ich selbständig bin). Mir wird die Graphische fehlen und vielleicht werde ich mich eines Tages dort wieder finden. Doch jetzt stelle ich mich auf die noch größere Lehraufgabe im Leben ein: auf das Vatersein.


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  1. Ich habe deine Zeilen nur überflogen, aber der Satz „Was ich vorher in Filmen für kitschig und banal hielt wurde…

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