Decentralize Camp Düsseldorf

Für mich hatte der Begriff „Decentralize“ bisher keine sonderliche Relevanz, eigentlich war mir unbekannt was sich dahinter verbirgt. Bis vor zwei Wochen, als am 21. Mai 2014 beim Decentralize Camp in Düsseldorf diesem Thema eine ganze Veranstaltung mit Vorträgen und Sessions gewidmet wurde. Fast alles daran war für mich als Designer neu aber dennoch nicht fremd oder schwer nachzuvollziehen. Hier ein paar unzusammenhängende Erkenntnisse, die ich mitgenommen habe.

Wo die Idee Decentralize herkam

Das Internet war ursprünglich als etwas ohne Zentrum gedacht. Doch in den letzten Jahren hat es sich immer mehr zentralisiert. Nicht nur rein technisch, sondern auch was die Dienste betrifft, wo sich großteils Monopole gebildet haben. Es gibt eine Suchmaschine, ein soziales Netzwerk, eine Fotoseite, einen Voice over IP Service, etc. Wie absurd dieser Gedanke ist, zeigt ein Beispiel von Maciej Ceglowskis:

„Nur ein soziales Netzwerk zu nutzen ist so, als würde sich die ganze Welt in nur einer einzigen Bar treffen.“

Im eröffnenden Vortrag von Jeremy Keith wurde hervorgehoben, dass es im Web 1.0 schon für alle möglich war Inhalte relativ einfach zu publizieren. Mit ein paar HTML-Kenntnissen konnte jeder seine eigene kleine Website basteln und online stellen. Wer sich nicht um seinen eigenen Webspace kümmern konnte/wollte nutze kostenlose Dienste, wie damals GeoCities. Meine erste Website aus dem Jahr 2000 wurde auf tripod, einem ähnlichen Service, gehostet. Und damit begann die Zentralisierung von Daten in den großen „Silos“.

Wir wurden langsam und schmerzhaft mit der Frage konfrontiert was passiert, wenn diese Dienste verschwinden. GeoCities wurde von Yahoo gekauft und alle dort gehosteten Websites  wurden vor ein paar Jahren gelöscht – einfach weg. Auch wenn einige gerettet werden konnten (jedoch unter anderen URLs als früher), wurde vielen plötzlich deutlich, was es bedeute seine Inhalte jemand anderem anzuvertrauen. Es gibt kaum Strategien, was mit den Daten passiert, wenn es diesen Service nicht mehr gibt oder sie übernommen werden. Allein das ist ein guter Grund seine eigenen Inhalte auf seiner eigenen Domain zu hosten – dezentralisiert. Denn, dass das Internet nicht vergisst ist ein falsches Versprechen, was wir alle sicher sicherlich schon erlebt haben.

Das Web 2.0 – Die Bequemlichkeit siegt

Im Vortrag von Alex Feyerke wurden die positiven Seiten der großen „Silos“ erwähnt. Das Web 1.0 war nicht für jedermann, denn für viele waren die technischen Einstiegshürden wie HTML oder FTP schon zu hoch. Typische Web-2.0-Services sind aus dem Bedürfnis heraus entstanden es einfacher zu machen Dinge im Web zu veröffentlichen. Bequemlichkeit überwiegt den Besitzanspruch und die Hoheit über die eigenen Daten und Inhalte.

In den letzten Jahren haben wir erlebt wie Flickr, YouTube und Tumblr die eigene Fotogalerie, Videopage oder das selbstgehostete Blog alt aussehen haben lassen. Doch was passiert, wenn ich meinen Account löschen möchte? Werden meine Daten dann auch gelöscht? Was passierte mit meinen Inhalten, wenn diese Dienste aufgekauft werden oder generell offline gehen? Werde ich sie vorher herunterladen oder löschen können? Vielleicht bin ich extra zu kleinen Anbieter gegangen, damit ich eben nicht Google meine Daten hat und plötzlich gehört der Dienst Google.

Start-up-Mentalität und digitaler Mittelstand

Ein Grund, der dahinter steckt, dass es eigentlich keine Ausstiegsstrategien gibt, ist die gängige Start-up-Mentalität. Jedes Startup möchte im Moment die Nummer 1 werden, das nächste Facebook oder Google – Weltherrschaft. Alex Feyerke hat aufgezeigt wie gefährlich und zerstörerisch diese Haltung sein kann. Im Prinzip ergeben sich drei Möglichkeiten für ein Start-up:

  1. Es scheitert.
  2. Es wird von einem der großen Services aufgekauft.
  3. Es wird selbst so groß, dass es jemand anderen verdrängt.

Was komplett fehlt ist der Gedanke eines dezentralisieren, digitalen Mittelstandes, mit dem wir auch wieder mehr Diversität leben. Unternehmen, die gut von ihren Einnahmen leben können, die einen Zweck erfüllen und in ihren Dimensionen weiterbestehen können ohne zur Weltmacht zu werden. Alex Feyerke plädiert dafür Tools zu schaffen, die es ermöglichen klein zu bleiben und nicht immer die Großen zu ersetzen.

Wir brauchen gute Abschlüsse

An diesen Punkt schloss auch Maciej Ceglowski im abschließenden Vortrag an. Er fragte sich, warum es so wenige Kleine gibt. Alle wollen McDonald’s sein, jeder will alles abdecken. Und ab dem Zeitpunkt wo sie wachsen und größer werden und eventuell verschwinden, lassen sie wieder Platz in der Nische, die sie vorher bedient hatten. Die kleine verschwinden aber auch zusehend. Oft wegen eines schlechten oder keines Business models, Burn out oder schlicht wegen der Bürokratie mit der man sich auch als Kleiner abkämpfen muss.

Was Macij Ceglowski, der selbst den Bookmarking-Service Pinboard betreibt, noch fehlt ist neben Open Source die Möglichkeit von Open Service. Wie man ein Unternehmen, das sich auflöst zu einem Open Source Projekt macht hat man vielfach bereits gesehen. Doch was, wenn er selbst seinen Dienst nicht mehr weiterführen möchte? Wie könnte einen Übergang zu einem allgemein verwalteten Dienst funktionieren? Hier führ fehlen noch die Beispiel.

Abgesehen von der Diversität macht es abschließend rein (geo)logisch Sinn das Internet wieder mehr zu dezentralisieren. Im Moment bündelt sich alles in Kalifornien, das im einem Erdbebengebiet sehr ungünstig liegt.

 

Dezentralisierung ist ein Thema, das weitreichender und übergreifender ist, als ich dachte. Das Publikum hatte vorwiegend einen technischen Hintergrund. Ich habe viele positive Reaktionen erlebt, dass ich als Designer an einer solchen Veranstaltung teilnehme. Für mich war es aber genau deshalb wichtig dabei zu sein, da ich wissen möchte, was die Leute mit denen ich in Webprojekten zusammenarbeite, beschäftigt. Ich bin gespannt wie die Entwicklungen weitergehen werden.


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