Indischer Regionalbus

Geschüttelt, nicht gerührt: Busfahren in Indien

Busfahren in Indien ist ein kleines Abenteuer für sich. Sei es in einem Stadt- oder Regionalbus – für uns als Europäer kam es eher einer günstigen Achterbahnfahrt gleich: holprig, rasant, manchmal eng und heiß. Auf jeden Fall, spannend, skurril und nichts für schwache Mägen.

Indischer Regionalbus

Die feinen Unterschiede

Personaleinsparungen gibt’s hier nicht: ein indischer Bus ist in der Regel mit zwei Leuten besetzt: dem Chauffeur und dem Fahrkartenverkäufer. Die vorderen Sitzreihen sind meistens für Frauen vorgesehen, die mittleren sind allgemein, die hinteren für Männer. Wenns voll ist, wird darauf nicht mehr geschaut.

Oft springt jemand aus dem gerade noch fahrenden Bus oder schnell noch in den bereits losfahrenden – was übrigens richtig Spaß macht!

Die Aufenthalte bei den einzelnen Stopps (wenn es nun kein Busbahnhof ist) sind minimal kurz (gefühlte ein bis fünf Sekunden). Oft springt jemand aus dem gerade noch fahrenden Bus oder schnell noch in den bereits losfahrenden – was übrigens richtig Spaß macht! Der Bus wartet nicht, also geschwind noch rein. Der Fahrkartenverkäufer kommt zu den Zugestiegenen und verkauft das Ticket.

Die Stopps werden in der Regel nicht angesagt. Möchte man aussteigen zieht man an einer Schnur, die die Decke entlang durch den Bus gespannt ist und lässt damit die Halteglocke am vorderen Ende des Busses erklingen.

Pimp my bus

Indien ist in vielen Dingen herrlich skurril, so natürlich auch bei den Bussen. Auch wenn diese staatlich sind, sind sie oft mit beachtlichen Extras ausgestattet. Einen kleinen Altar mit Bildern von Gottheiten hat fast jeder. Die besser ausgestatteten haben sogar LED-Leuchtketten um Ganesha & Co. angebracht, die in allen Farben abwechselnd blinken. Mitunter kann man auch in einen Bus geraten, dessen Innenausstattung mit vergoldeten Säulen und barockem Plastistuck samt Rosetten rund um die Beleuchtung verschönert ist (das alles natürlich mit einer gewissen indischen Toleranz in der Montage).

In Langstrecken-Privatbussen ist der Bollywood-Film in maximaler Lautstärke Pflicht. Doch auch in ein paar städtischen Linienbussen dröhnen schon um sechs Uhr morgens im Surround indische Schlager. So wurde die fünfstündige Dauerbeschallung auf der Fahrt von Munnar nach Madurai irgendwann zum Psychoterror – wohlgemerkt aber nur für uns, die Inder lässt das wahrscheinlich aus aus aus Gewohnheitsgründen kalt.

Achterbahn ohne Loopings

Es gibt gefühlt nur zwei Geschwindigkeiten: Vollgas und Vollbremsung. Der Chauffeur donnert, unter ständigem Hupen, eher einem Panzerfahrer gleich, mit dem schwerfälligen Gefährt durch den lebhaften indischen Verkehr. Die Straßenverhältnisse geben den Rest dazu und so kam es ein paar Mal vor, dass wir buchstäblich den Sitzkontakt verloren. Ausreichende Kondition für permanentes, krampfhaftes Festhalten gilt als eine Voraussetzung, die ein Fahrgast mitbringen sollte.

Das alles ist im kurzen Stadtverkehr ziemlich lustig. Mühsam wird es aber auf längeren Strecken, wie wir letztens auf der fünfstündigen Busfahrt von Ernakulam nach Munnar erleben durften. Gegen Ende spielte mein Magen fast nich mehr mit (was sicherlich neben dem irren Fahrer auch an der steilen, kurvigen Strecke lag). Danach war uns klar, warum so viele Inder die Railway bevorzugen: “It’s much more comfortable and much safer.“ hörten wir nicht nur einmal.

Es ist immer noch Platz

Egal wie menschenbeladen der Bus schon ist, es ist immer noch Platz. Eine Sitzbank für drei geht auch für vier. Kinder werden einfach weitergereicht, irgendein freier Schoß findet sich schon. Und auch wenn die im Mittelgang stehenden Passagiere bereits engstens an einander gereiht sind, der Fahrkartenverkäufer findet seinen Weg in aller Ruhe vom einen Ende zum anderen und verkauft seine Tickets.

Als eher körperkontaktscheue Europäer ging uns das überraschend wenig auf die Nerven. Was uns an Nähe, Anstoßen und Drängen unangenehm ist, ist hier komplett selbstverständlich. Dadurch hat es für mich etwas wunderbar Unkompliziertes, Menschliches, Solidarisches. Fast schon etwas Tiefgründiges: Grenzen sind da, um sie auszureizen. Es findet sich immer ein Weg. Ich glaube ich werde die Wiener U-Bahn zur Rushhour nie wieder als voll empfinden können.


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