Leben ohne Smartphone – ein Selbstversuch

Mit dem Handy immer und überall online sein zu können ist oft sein Segen, doch nach ein paar Jahren ist dieser Luxus bei mir zum Automatismus geworden. Die anfängliche Freiheit beginnt mich in meiner Flexibilität einzuschränken und ich habe das Gefühl hier mein Verhalten nicht mehr bewusst zu kontrollieren. Also habe ich mich vor einer Woche entschlossen mobiles Internet auf meinem iPhone zu deaktivieren. Warum und was ich mir davon erhoffe möchte ich hier teilen.

Das Problem

Als ich vor einem Jahr in Indien und Neuseeland unterwegs war, bemerkte ich erstmals schlechten Anzeichen. Ich genoss unsere wunderbare Reise, doch ab dem Zeitpunkt wo WLAN in der Nähe sein könnte, wurde ich nervös und versuchte krampfhaft mit meinem iPhone in irgendwelche Netzwerke reinzukommen. War ich dann online sah ich irgendwelche belanglosen Dinge nach (ich war noch nie so oft auf Facebook wie damals). Und dabei gab es selten einen wirklichen Grund online zu gehen, ich musste es einfach sein, wenn ich es konnte. Fast, als wäre Internetzugang ein Grundbedürfnis wie sauberes Wasser.

Ich musste einfach online sein, wenn ich es konnte. Fast, als wäre Internetzugang ein Grundbedürfnis wie sauberes Wasser.

Nun verbrachte ich letzte Woche in Hamburg, wo ich ähnlich online sein musste, wenn es WLAN gab, anstatt die Stadt und das neue Umfeld voll bewusst zu erkunden. Das war der Punkt wo ich gemerkt habe, dass dieses Verhalten schon begonnen hat mich zu kontrollieren und ich es nicht mehr bewusst einsetze. Wieder zurück in Österreich setze ich mich nun seit einer Woche selbst auf kalten Entzug von mobilem Internet.

Was bedeutet kein mobiles Internet?

Kein Internet auf dem Handy unterwegs zu nutzen bedeutet für mich und meinen Alltag konkret:

  • Kein Surfen und Googlen.
  • Keine E-Mails checken.
  • Keine E-Books, RSS-Feeds und kein Instapaper lesen.
  • Keine Musik oder Podcasts streamen und kein Ö1 nachhören.
  • Keine Videos, Serien oder TV-Beiträge schauen.
  • Kein Social Media – in meinem Fall Instagram, Twitter oder Fourquare (von Facebook habe ich mich schon seit ein paar Monaten verabschiedet).

Unterm Strich bedeutet das: mein Smartphone wird zum Phone und ich vielleicht dadurch etwas smarter.

Warum

Bei meinem Selbstversuch geht es mir keineswegs darum dem Internet loszusagen und asketisch zu leben. Ich möchte durch den Verzicht lernen den Zugang zu mobilem Internet wieder zu schätzen und bewusst zu nutzen. Gleichzeitig möchte ich mir auch Freiräume gestatten, um Situationen, in denen ich nicht online sein muss, auch genießen zu können.

Ich möchte wieder im Moment leben können

Ständig habe ich das Gefühl irgendetwas zu verpassen und nachschauen zu müssen. Beim Warten auf Etwas, im Kaffeehaus, bei kurzen Unterbrechungen eines Gesprächs, während des Essens, wenn ich im Bett nicht gleich einschlafe – eigentlich in jeder freien Sekunde. Sofort wird das Smartphone gezückt, jeder Moment muss genutzt werden. Es ist ein schleichendes Gefühl des Gehetztseins und das schlechte Gewissen, wenn ich dem Dran tätig zu sein nicht nachgebe.

Wenn ich aber ehrlich bin verpasse ich ständig Etwas, ich kann ja nicht alles erleben. Und das muss ich lernen zu akzeptieren. Was ich nämlich vor allem verpasse sind Momente der Ruhe. Durch die Möglichkeit und den Drang immer etwas tun zu müssen beraube ich mich der Möglichkeit loszulassen und auch langweilen zu dürfen. Die kostbare Langeweile schafft Raum für Neues. Nach der Anspannung folgt die Entspannung. Das möchte ich wieder zulassen.

Ich möchte schadhafte Verhaltensmuster ablegen

Das regelmäßige Nachschauen von irgendetwas am Smartphone ist ein Verhaltensmuster, das sich in den letzten Jahren eingeprägt hat und von mir nur noch unhinterfragt ausgeführt wird. Ich schaue aufs Smartphone um aufs Smartphone zu schauen. Selten gibt es einen wichtigen Grund etwas herausfinden zu müssen, was ich nicht auch später am Laptop checken könnte. Es ist mittlerweile eine Selbstbeschäftigung, die ungefähr so abläuft: Was gibt es denn Neues? Wow, andere machen so tolle Projekte und ich schau nur auf mein Handy. Was könnte ich als nächstes nachschauen?

Dadurch werde ich langsam von jemanden, der Dinge aus einer inneren Motivation heraus macht zu jemand, der sich nur Reize von Außen holt, die eher lähmen als inspirieren. Denn nach dem Blick aufs iPhone bin ich meistens nur unzufriedener und unruhiger. Ich merke wie mir dieses Verhalten schadet, deshalb möchte ich es ablegen.

Ich möchte meine Scheuklappen ablegen

Das Bild des ferngesteuerten, mit Kopfhörern bestückten, ins Smartphone starrenden Menschen, der seine beiden wichtigsten Sinne der Umwelt nicht mehr zur Verfügung stellt, ist ja schon ganz normal in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das finde ich für mich selbst schade. Ich möchte mich auf meine Umwelt einlassen und die Welt wieder mehr in mich hineinlassen.

Die erste Woche

Die erste Woche habe ich gemischt wahrgenommen. Der Drang immer etwas konsumieren und die Zeit „nutzen“ zu müssen, steckt tief in mir. Das Verzichten in der U-Bahn ging halbwegs, da fahre ich nämlich nicht so lange. Schwieriger ist es bei der Bahn. Die zwanzigminütige Strecke und Wartezeit verlocken sehr, wieder online zu gehen und schnell etwas nachzuschauen, einen Artikel zu lesen oder ein Video zu sehen. Auch der Fußweg zum oder vom Bahnhof locken einen Podcast oder Radio zu hören.

Einmal habe ich geschummelt, um unterwegs eine Telefonnummer zu googeln, sonst aber habe ich es geschafft das Handy nur zum Telefonieren selbst zu verwenden. Im Bureau oder zuhause habe ich mir den Freiraum gelassen das Handy mit WLAN zu verwenden, denn mache Apps zu nutzen (wie das Wetter) ist doch praktischer als den Laptop herzuholen. Ein positiver Nebeneffekt bisher: ich muss mein iPhone anstatt jeden Abend nur noch alle zwei Tage aufladen.

Dieser Selbstversuch fordert meine Konsequenz und ich bin neugierig, wie es mir in ein paar Wochen damit geht. Was ich aber jetzt schon feststellen kann: es fühlt sich trotz allem doch erleichternd an zu verzichten.


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  1. Ich habe deine Zeilen nur überflogen, aber der Satz „Was ich vorher in Filmen für kitschig und banal hielt wurde…

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