Das Web ist Text und Webdesign ist Typografie. Doch leider wird Typografie oft zu einem Randthema. Websites mit schlecht gesetztem Text funktionieren schlechter – ihre Inhalte kommen nicht so an, wie sie es sollten. Typografie geht deshalb alle etwas an, die im Web arbeiten.
„95 % of the information on the web is written language“ schrieb Oliver Reichenstein 2006 und schloss daraus, dass es bei Webdesign vorwiegend um Typografie ginge. Diese Behauptung bestätigt sich über zehn Jnahr später in Zeiten des Responsive Webdesign umso mehr. Denn was bleibt vom Design, wenn die Website auf der Größe eines Smartphone Displays reduziert wird? Genau, vor allem Text.
Typografie ist das Sichtbarmachen von Sprache durch den Umgang mit Schrift ist meine freie Definition dazu. Und das Ziel der Lesetypografie im Web sollte es sein, den Inhalt einer Website möglichst optimal darzustellen und dadurch zu vermitteln. Typografie ist dabei keine exakte Wissenschaft, wenn sie auch der Bereich des Kommunikationsdesigns mit den längsten Traditionen und Konventionen nun dadurch auch „Regeln“ ist. Aber Regeln gibt es um sie dem Anlass entsprechend zu biegen und zu brechen. Nur um sie biegen und brechen zu können müssen wir sie verstehen. (Typo)grafisch wie technisch.
Wir hatten noch nie so wenig/viel typografische Kontrolle
Noch nie hatten wir als Designer so wenig Kontrolle über das Ergebnis der Typografie wie im Web. Wir wissen nicht welches Gerät mit welchem Betriebssystem auf welcher Auflösung mit welchem Display verwendet wird und dabei auch alles korrekt geladen wird. Wir die Website überhaupt über den Browser konsumiert oder über einen Bookmarking Service wie Instapaper? Wird sie überhaupt gelesen oder vorgelesen? Im Vergleich zum Setzen eines Buches oder Magazins haben wir fast keine Kontrolle über das Ergebnis.
Andererseits hatten wir noch nie so viel typografischen Möglichkeiten im Web wie heute. Dank Webfonts, immer besser werdender Displays und Browser, den zahlreichen Möglichkeiten in CSS und rosigen Zukunftsaussichten von Open Type Features oder variable Fonts. Natürlich bleibt die allgemeine Unsicherheit des dargestellten Ergebnisses, die es im Webdesign immer gibt, erhalten. Aber wenn wir das Wort Kontrolle mit Einfluss austauschen, sieht die Welt gleich ganz anders aus. Ich gebe lieber den Wunsch nach Kontrolle auf und schaffe die besten Rahmenbedingungen, die mir möglich sind. Und in den allermeisten Fällen wird das zu einem besseren Ergebnis führen.
Für mich persönlich war die Beschäftigung mit HTML und CSS in den letzten fünf Jahren ein großer Gewinn von Einfluss. Denn wenn ich mich nicht mit Web Typografie und den Möglichkeiten dahinter beschäftige, wer dann? Natürlich gibt es die Developer, die ebenfalls Wert darauf legen und Designs sehr sorgfältig umsetzen. Doch wie gut ist mein Design, wenn es nicht unter vollem Bewusstsein der technischen Möglichkeiten entworfen wird? Wenn ich das Thema Typografie im Web wirklich erst nehme führt kein Weg am Code vorbei. So konnte ich mein typografisches Wissen ins Web tragen.
Vortrag beim Webclerks Meetup
Ich habe das Thema beim Webclerks Meetup am 27. Februar 2017 vorgestellt. Die Slides dazu sind hier zu finden.
Rettet die Web Typografie
Wir können die typografische Qualität des Webs verbessern, wenn es ein breiteres Bewusstsein dafür gibt. In den nächsten Blog-Beiträgen werde ich auf einige Einzelaspekten von Web Typografie eingehen. Es wird unter anderem um die Wahl der Schrift, harmonische Maße, gefährlichen Blocksatz, Fake Fonts und teuflische Details gehen. Wie immer freue ich mich über Anregungen und Kommentare.
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