Über Mut, Stolz und indische Rickshaws

Die Zeit in Indien geht nach über einem Monat nun zu Ende und ich durfte hier einiges erfahren und lernen. Unter anderem wie man mit den Händen isst oder sich in Mindestzeit kalt duscht. Aber auch mehr mit der Zeit zu gehen und Warten auszuhalten.

Vor allem fand ich es gut mal wieder raus aus der Komfortzone zu kommen, mich Neues zu trauen und Vertrautes neu schätzen zu lernen. Und das zeigte sich schon an scheinbar banalen Dingen wie dem Überqueren einer Straße oder dem Verhandeln mit der Motorrickshwa.

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Augen auf und durch! Wie man eine indische Straße überquert

Der Verkehr in den großen indischen Städten wirkte für mich anfangs mit seinem Gedränge und Lärm wie ein einziges, riesiges Chaos, das ich nur staunend betrachten konnte. Passanten gehen entlang der Straßenränder, denn Gehsteige sind (wenn es sie gibt) immer vollgerammelt und man kommt dort nie voran. Zebrastreifen oder Fußgängerampeln sind rar und werden kaum beachtet. Wir haben das System anfangs nicht annähernd verstanden und in Todesangst durchs Hupkonzert ewig über eine Straße gebraucht.

Dabei ist es eigentlich ganz leicht. Man muss sich nämlich einfach nur trauen und braucht keine Angst haben, auch mitten auf der sechsspurigen Straße im Verkehr zu stehen. Denn indische Autofahrer hupen (meistens) nicht zur Rüge, es ist eher eine freundliche Information: Achtung, hier bin ich. Eher wie das Klingeln bei einem Fahrrad. An vielen LKWs steht hinten auch freundlich „Sound Horn“ oder „Horn OK“ was soviel heißt wie: bitte hupen, wenn du mich überholst, damit ich das auch mitbekomme.

In diesem scheinbaren Durcheinander mit Rickshaws, Bussen, unglaublich beladenen LKWs, Motorrädern, Transportkarren und Fußgängern fügt sich schließlich alles irgendwie zusammen. Wie in einer großen Maschine, Zahnrad an Zahnrad. Und es ist toll, wenn man seinen Platz darin gefunden hat. Trotz Gedränge ist man darauf vorbereitet abrupt stehen zu blieben und rücksichtsvoller als man es erwarten würde. Ich bin mir sicher in Österreich in ähnlichen Situation, trotz Mut, schon zehn mal überfahren worden zu sein.

“200 Rupees?! No way!” Verhandeln und richtig verärgert sein dürfen

Ich hasse es zu verhandeln. Ich mag die Situation nicht. Ich möchte nicht mühsam sein und Probleme machen, das ist mir unangenehm. Doch Indien hat mich herausgefordert, insbesondere das Rickshawfahren.

“Never trust the Rickshaw” hörten wir oft, denn 99 % der Motorrickshawfahrer versuchen einen abzuhocken (nicht nur die Touristen). Taxameter gibt es je nach Region, werden aber selten bis nie eingesetzt. “No meter, Sir” oder “Not working” heißt es wenn man danach verlangt. Dann muss man sich einen Preis aushandeln.

Die offiziellen Preise sind, wie es in jeder Rickshaw steht, 14 Rupees (20 Cent) für den ersten Kilometer und für jeden weiteren 7 Rupees (10 Cent). Anfangs haben wir aus Unwissenheit auch mal 100 Rupees für Fahrten von zwei oder drei Kilometer gezahlt. Für europäische Verhältnisse immer noch wenig. Wenn man aber weiß, dass man dafür z.B. 20 Chai-Tee, 10 Samosa oder ein Thali (Mittagsmenü) samt Getränk bekommt, ist es viel. Vor allem aber, wenn es eigentlich 21 Rupees kosten sollte.

Ich nehm’s dem Fahrer nicht übel, wenn er versucht mehr zu verlangen. Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich immer wieder mitspiele, weil ich mich dem Konflikt nicht stellen möchte.

Murrend habe ich dabei immer mitgespielt, lieber nicht diskutieren, lieber nett sein. Bis es mir einmal gereicht hat. Wieder kein Taxameter und als wir nach maximal fünf Kilometer am Ziel angekommen waren, verlangte der Fahrer erst 200 Rupees, dann 100. Angebracht wären 50 Rupees gewesen.

Ich nehm’s dem Fahrer nicht übel, wenn er versucht mehr zu verlangen. In Indien sind wir offensichtlich Fremde und damit vermeintlich leichte Opfer. Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich immer wieder mitspiele, weil ich mich dem Konflikt nicht stellen möchte. Die anfänglichen 200 waren aber zu dreist und so war es mir nicht zu blöd zehn Minuten über 50 Rupees zu diskutieren. Ja, das sind 70 Cent und man könnte es als kleinlich betrachten. Doch es ging darum mich endlich zu wehren, endlich nicht immer nett und still zu sein. Schließlich musste der Fahrer für 60 Rupees seinen Stolz aufgeben, was meinen nur umso verstärkte. Seitdem ging es mit dem Handeln immer besser, macht fast Spaß. Und es ist auch schön mal richtig unfreundlich zu sein, wenn es gerechtfertigt ist.

Phir millengee – auf Wiedersehen! Indien wird mir fehlen (vor allem das Essen). Es war einerseits unglaublich spannend und exotisch hier, andererseits habe ich mich nie befremdet oder verloren gefühlt. Nach ein paar Tagen Bangkok geht es nun nach Neuseeland und ich bin schon sehr auf diesen Kontrast gespannt.


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